Sportsucht erkennen und richtig behandeln

In der Leistungsgesellschaft gilt es fit, schlank und gesund zu sein. Manche Menschen setzen sich dabei zu viel Druck aus.

Egal, ob man gerade acht oder 18 Kilometer gelaufen ist, eine Stunde Intervalltraining hinter sich gebracht hat oder alle Stationen im Fitnessstudio abgearbeitet hat: Jeder Mensch, der halbwegs ernsthaft Sport treibt, kennt das euphorische Gefühl, das sich nach einem Moment völliger Verausgabung im Körper und im Kopf ausbreitet. „Runners High“ nennen Ausdauersportler das Phänomen. Es entsteht, wenn nach intensiver körperlicher Betätigung verstärkt Endorphine ausgeschüttet werden. Und es tut so gut, dass man es immer wieder erleben will. Sportsucht – im ersten Moment klingt der Begriff beinahe absurd. So als stehe er in krassem Widerspruch zu allem, was man bislang zum Thema Fitness und körperliche Gesundheit gehört hat. Doch Psychologen sprechen bei einer pathologischen Sportbindung von einer substanzungebundenen, sogenannten behavioralen Sucht, ähnlich wie etwa eine Spiel- oder Kaufsucht.

Sportsucht geht oft mit Essstörungen einher

„Man muss unterscheiden zwischen einer starken Sportbindung aufgrund positiver Erlebnisse und weil die sportliche Betätigung ein Teil der Identität geworden ist und einer Sportsucht. Es ist nicht immer ganz einfach, die beiden Ausprägungen voneinander zu trennen“, erklärt Dr. Nadja Walter, Sportpsychologin an der Universität Leipzig, die zur Sportsucht und ihren gesellschaftlichen Implikationen forscht. Dabei ist Sportsucht, auch wenn man sie damals noch nicht so genannt hat, ein seit langer Zeit bekanntes Phänomen. Zum ersten Mal systematisch beobachtet und untersucht wurde die „Exercise Addiction“ in den 1970er Jahren mit dem Aufkommen der Fitness- und Bodybuilding-Bewegung. Damals versuchte der Arzt Frederick Baekeland herauszufinden, wie sich Bewegungsmangel auf das Schlafverhalten auswirkt. Als er seine Probanden dafür bat, auf ihr übliches Training zu verzichten, stellte er fest, dass manche Sportler trotz des Angebots einer hohen finanziellen Entschädigung nicht dazu bereit waren. Heutzutage unterscheiden Fachleute zwischen der sogenannten primären und sekundären Sportsucht. „Bei ersterer geht es allein um den Sport, bei der sekundären Ausprägung ist die Sportsucht meistens mit einer weiteren Störung wie einer Essstörung gekoppelt. Man treibt also Sport, um Gewicht zu verlieren. In den meisten Fällen handelt es sich um dieses komorbide Syndrom“, so Nadja Walter.

Auch Sportsucht führt zu Entzugssymptomen

Trotz der unklaren Definition gibt es Kriterien, die einen Aufschluss darüber geben, ob ein dysfunktionales Verhältnis zum Sport vorliegt. Laut Nadja Walter sollten sich Menschen, die darüber nachdenken, ob ihr Trainingsvolumen noch ein gesundes Maß hat, folgende Fragen stellen:
• Habe ich Konflikte mit anderen Menschen aufgrund meiner sportlichen Aktivität?
• Muss ich permanent den Umfang hochschrauben, um die gleichen Effekte zu erzielen?
• Verringern sich durch den Sport andere soziale Aktivitäten?
• Trainiere ich auch, obwohl ich erkrankt bin?

Tatsächlich kann es auch zu entzugsähnlichen Symptomen kommen. Dazu zählen etwa vermehrte Reizbarkeit, Depressivität oder Ängstlichkeit. Das zwanghafte Steigern der Trainingseinheiten, Umfänge und Intensitäten, um einerseits die gewünschten Effekte zu erreichen und andererseits die Entzugserscheinungen zu lindern oder zu vermeiden, ist typisch für betroffene Sportlerinnen und Sportler. „Wenn diese Anzeichen vorliegen, liegt eine hochgradige Gefährdung vor“, erklärt Nadja Walter. Es lasse sich jedoch nicht ausschließlich am Umfang und der Intensität der sportlichen Aktivität festmachen, so die Expertin: „Sonst hätten ja auch alle Hochleistungsathleten und -athletinnen ein Problem.“

Wie wirkt sich eine Sportsucht auf den Körper und das soziale Umfeld aus? Was können Ursachen sein und was kann man dagegen tun? Lesen Sie mehr im IKK Onlinemagazin Gesund.Machen.: ikk-classic.de/sportsucht-erkennen

Bild: Maridav – stock.adobe.com

Quelle: IKK classic

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